Veröffentlichungen   vom und zum ...

  

Ingenieurbüro für Holz und Bauwesen Holzhausen GmbH, Mölkauer Straße 78, 04288 Leipzig-Holzhausen, Fon 034297 45316 Fax 034297 45317 Internet www.holz-bauwesen.de  Mail ingbuero (at) holz-bauwesen (de)  

 

Texte und bildliche Darstellungen dieser Homepage, welche durch Quellenangabe gekennzeichnet sind, unterliegen dem Copyright ihrer Autoren. Alle weiteren Texte und bildlichen Darstellungen dieser Homepage unterliegen dem Copyright des Ingenieurbüros für Holz und Bauwesen Holzhausen GmbH.

 

 

Geier, K.

Seriengefertigte Tragwerke des DDR-Holzbaues

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 

Vortrag anlässlich 20. Holzbauseminar an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, 23.05. - 24.05.2012. Veranstalter Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und Ingenieurbüro Rug GmbH Wittenberge, Veranstaltungsleitung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rug

 

1.   Einleitung

Holztragwerke sind langlebig, deshalb ist die gewählte Betrachtung von DDR-Holzbauten sinnvoll - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In diesen Zeitintervallen vollzog sich die übliche technische Entwicklung im Holzbau. Hinzu kam in Ostdeutschland der Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft mit weitreichenden Folgen für die betrachteten Tragwerke.

 

2.   Vergangenheit

2.1  Allgemeines

In der DDR galt das Prinzip der Planwirtschaft mit der Folge, dass die Holzverwendung staatlich beeinflusst war bzw. staatlich geregelt wurde. Diee Einflussnahme erfolgte beispielsweise, indem die staatlichen Holzlieferanten wenig Holz für individuelle Tragwerke bereitstellten. Aus der verfügbaren Schnittholzmenge wurden stattdessen Holztragwerke in Großserie gefertigt, vorzugsweise für Landwirtschaft und Wohnungsbau.

 

2.2  Konstruktionsformen

Eine Besonderheit der DDR-Volkswirtschaft bestand darin, dass die Materialkosten hoch und die Arbeitskosten niedrig waren. Es entstanden materialsparende, arbeitsaufwändige Holztragwerke und Holz-Stahl-Tragwerke. Die Trgwerke wurden in Großserie gefertigt, wobei quasi um jedes Kilogramm Stahl gerungen wurde. Deshalb besitzen die Tragwerke über den voraussetzungsgemäßen Einsatzzweck hinaus keine Belastbarkeitsreserven.

2.2.2  Genagelte Holzfachwerkbinder

Diese wurden vier Jahrzehnte lang in großen Stückzahlen und zahlreichen Varianten gefertigt. Einsatzbereiche waren u.a. Viehställe, Gesellschaftsbauten, eingeschossige Produktions- und Lagerhallen.

Hergestellt wurden Satteldachbinder, Pultdachbinder und Parallelgurtbinder. Die Dachneigung beträgt 25 % bzw. 14° oder mehr, die Dachbinderstützweite 3 bis 21 m, der Binderabstand 0,5 bis 4,5 m. Die Dachbinder wurden komplettiert durch Dachpfetten, Verbände, Dacheindeckung und gegebenenfalls eine wärmegedämmte Decke. Als Unterkonstruktion dienten Mauerwerk oder Stahlbetonstützen.

2.2.3  Holz-Stahl-Dachbinder

Sie wurden in großen Stückzahlen und zahlreichen Varinten gefertigt, Einsatzgebiete ware u.a. Viehställe, Gesellschaftsbauten, Produktions- und Lagerhallen.

Die Dachneigung beträgt 25 % bzw. 14°, die Dachbinderstützweite 15 bis 24 m, der Binderabstand 3 bis 6 m. Die Dachbindersparren bestehen aus Brettschichtholz, die Abstützungen der Sparren aus Vollholz, die Unterspannung sowie die Diagonalzugstäbe aus Stahl. Die Dachbinder wurden komplettiert durch Dachpfetten, Verbände, Dacheindeckung und gegebenenfalls durch eine wärmegedämmte Decke. Als Unterkonstruktion dienten vorzugsweise Stahlbetonstützen.

2.2.4  Kehlbalkendachbinder

Typisierte Kehlbalkendachbinder wurden in großen Stückzahlen und zahlreichen Varianten gefertigt, Einsatzbereiche waren der Eigenheimbau und der mehrgeschossige Wohnungsbau.

2.2.5  Weitere Konstruktionsformen

Hallen mit Holztragwerk vom First bis hinab zum Fundament, Fertighäuser, Leichte Bauten (barackenartige Gebäude), Erholungsbauten (Bungalows)

 

                            

           

 

2.3  Holzbauplanung

2.3.1  Standards und Vorschriften

Anfangs waren die Holzbaunormen in der DDR nd in den alten Bundesländerngleich. Später entwickelten sie sich auseinander, u.a. wegen der TGL-Angleichung an RGW-Standards.

In Abhängigkeit von der Entstehungszeit beruhen die Serientragwerke des DDR-Holzbaues auf sehr unterschiedlichen Belastungs- und Werkstoffkennwerten, Beispiel TGL 20167/01 Ausgabe 02.1964 Lastannahmen für Bauten, Grenzlastfaktoren; Normlasten infolge Verkehrs-, Schnee- und Windbelastung und TGL 32274/05 Ausgabe 12.1976 Lastannahmen für Bauwerke; Schneelasten.

2.3.2  Planungseinrichtungen

Über vier Jahrzehnte hinweg wurden die meisten seriengefertigten Tragwerke des DDR-Holzbaues geplant durch Spezialisten eines Leipziger Konstruktionsbüros, dessen Name sich mehrfach änderte (von Konstruktions- und Entwicklungsbüro der VVB Industriezweigleitung Holzbau Leipzig bis VEB Holz- und Leichtmetallbauelemente Leipzig Forschungsinstitut), dessen Mitarbeiter jedoch gering flukturierten. Die weiter oben abgebildeten Holz-Stahl-Dachbinder der D-Serie wurden schon zu DDR-Zeit mittels Elektronenrechner optimiert.

An der Holzbauplanung beteiligt waren aber auch andere Institutionen und Einrichtungen, z.B. Bauakademie der DDR Institut für Industriebau, welches eine Bogenbinderhalle mit textiler Hülle entwickelte.

Die Planer der seriengefertigten Holztragwerke hielten engen Kontakt u den Herstellern, Monteuren und Nutzern der Erzeugnisse. Wenn die Planungsdokumentation Unzulänglichkeiten aufwiesen, wurden diese gemäß Hinweisen durch die Vorgenannten kurzfristig behoben.

Im Ergebnis dieser Konstellation ist Anteil mangelhaft geplanter serienmäßig gefertigter Tragwerke des DDR-Holzbaues vernachlässigbar gering.

2.3.3  Dokumentation der Planungsergebnisse Die Planungsergebnisse wurden veröffentlicht in Form von Projektierungskataloge, welche den Planungseinrichtungen der Landwirtschaft, des Wohnungsbaues usw. als Arbeitsgrundlage dienten.

Als Bestandteil von Gesamtprojekten sind die Holztragwerke enthalten in Wiederverwendungsprojekten, z.B. für Ställe, für Agrochemische Zentren, für Eigenheime.

 

2.4  Werksvorfertigung

Die Fertigungsbetriebe waren auf die ganze DDR verteilt. Dabei handelte es sich um automatisierte oder teilautomatisierte Betriebe zur Herstellung von Brettschichtholz, Fertighäusern und Baracken, um mittelgroße Holznagelbinder-Hersteller sowie um örtliche Zimmereien - durchweg im Holzbau erfahrene Produzenten. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Betriebe mit vernachlässigbaren Ausnahmen fehlerfreie Holztragwerk lieferten.

 

2.5  Baustellenmontage

Die Holznageldächer, Holz-Stahl-Dächer und Kehlbalkendächer wurden auf den Baustellen montiert durch Baubetriebe der Landwirtschaft (Landbaukombinate LBK) und des Wohnungsbaues (Wohnungsbaukombinate WBK) mit eigener Zimmererabteilung. Sie wurden ebenfalls montiert durch Baubetriebe der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (Zwischengenossenschaftliche Bauorganisationen ZBO) mit gelegentlicher Holz-Erfahrung.

Die Holztragwerke wurden jedoch auch errichtet durch Holz-unerfahrene Feierabend-Brigaden. Die Wichtigkeit der korrekten Dachbinder-Seitenaussteifung war diesen oft nicht bewusst. Hieraus resultierende Aussteifungsmängel verursachten oft Dacheinstürze bzw. sind noch heute in vielen Dachtragwerken feststellbar.

 

2.6 Tragwerkskontrolle

Gemäß Forderung der Staatlichen Bauaufsicht der DDR sollten hölzerne Dachtragwerke regelmäßig kontrolliert werden, was jedoch zumeist unterblieb.

 

3.   Gegenwart

3.1  Allgemeines

Nach vier Jahrzehnten massenhafter Serienfertigung von Holztragwerken verfügt der Osten Deutschlands über einen großen Bestand solcher Konstruktionen. Nachstehend werden einige damit im Zusammenhang stehende Aspekte kurz abgehandelt.

 

3.2  Erneuerung von Bauwerksteilen

Die ursprünglichen Dacheindeckungen, z.B. Asbestzement-Welltafeln und Bitumenschindeln, sind in vielen Fällen verschlissen. Beim Ersatz durch andere Eindeckungsmaterialien, z.B. Tonziegel, ist die Tragfähigkeit der Holzkonstruktionen zu beachten.

Holt ein Gebäudeeigentümer Angebote zur Dachneueindeckung ein, erhält er von angefragten Dachdeckern nicht selten widersprüchliche Auskünfte, ob sein Dach die angebotene Neueindeckung erträgt. Planer, Auftraggeber und Auftragnehmer sollten sich ihrer Rechtslage bewusst sein für den Fall, dass Schadenersatz wegen unsachgemäßer Dacheindeckung gefordert wird.

Ein Schadensfall ist bekannt, bei welchem ein barackenartiges Gebäude mit Ziegeln neu eingedeckt wurde. Baracken waren für leichte Wellasbestzement-Eindeckung vorgesehen, nicht für die schwere Ziegeldeckung. Dacheinsturz war die Folge.

Ein Kindergarten aus DDR-Zeit, überdacht mit flach geneigten Holznagelbindern, sollte nach städtischer Gestaltungssatzung ziegelgedeckt werden. Aus statischen Gründen war dies nicht möglich, ausgeführt wurde ein Blechdach mit Dachziegeloptik.

 

3.3  Energetische und funktionelle Gebäudesanierung

Bei der Sanierung von Gebäuden aus DDR-Zeit sind die zulässigen Dacheindeckungslasten und Deckenlasten von großer Bedeutung, beispielsweise bei erhöhten Wärmeschutz-Anforderungen oder bei der Forderung nach ballwurfsicheren Sporthallendecken.

Eine Übertragung von Belastbarkeitsreserven aus dem Binderobergurt zum Binderuntergurt oder umgekehrt ist bei genagelten Holzfachwerkbindern nicht ohne Weiteres möglich. Es können Stabkraftumkehrungen im Fachwerk auftreten, welche auf mehrfache Weise kritisch sind. Leicht nachvollziehbar ist, dass Druckstäbe ein geringeres Tragvermögen haben als Zugstäbe. Weniger bekannt ist, dass Druckkräfte in Holznagelbindern teilweise mittels Pass-Stoß durch Kontakt übertragen werden. Pass-Stoß-Verbindungen versagen bei Zugbeanspruchung.

.

    

      

In vorgenannten Fällen reicht ein Vergleich der äußeren Lasten nicht aus, stattdessen ist ein Vergleich der Fachwerkstabkräfte unter den verschiedenen Belastungsbedingungen erforderlich.

 

3.4  Fotovoltaik-Anlagen

Es besteht großes Interesse, die zu DDR-Zeit mit seriengefertigten Holztragwerken überdachten Gebäude zur Solarstromerzeugung zu nutzen. Initiatoren sind gleichermaßen Gebäudeeigentümer und Solaranlagen-Ausrüster. Die Belastbarkeit der Dächer durch Fotovoltaik-Anlagen muss statisch nachgewiesen werden, was auf Veranlassung des Gebäudeeigentümers oder des Anlagenbetreibers erfolgt. Oft sind keine Bauunterlagen vorhanden, was die statische Beurteilung erschwert. Jedoch bieten auch vorhandene Unterlagenkeine Gewähr, dass verlässlich geurteilt wird. Nach Erfahrung des Verfassers stimmen in ca. 15 % der Fälle die Bauunterlagen nicht mit der Bauausführung überein, beispielsweise, weil die zum Einbau vorgesehenen Dachbinder nicht lieferbar oder inzwischen verändert worden waren. So ertrugen genagelte Warmbauten-Holzfachwerkbinder aus früher DDR-Zeit eine schwere Putzdecke. Diese Deckenkonstruktion wurde zunehmend durch leichte Montagedecken abgelöst und parallel dazu der alte Dachbindertyp durch eine geringer belastbare Dachbindervariante.

Bei der statischen Beurteilung unsymmetrischer Dachtragwerksbelastung duch Fotovoltaikmodule gild das weiter oben Gesagte: Es können kritische Stabkraftumkehrungen im Fachwerk auftreten. Daher reicht ein Vergleich der äußeren Lasten nicht aus, stattdessen ist ein Vergleich der Fachwerkstabkräfte unter den verschiedenen Belastungsbedingungen erforderlich. Dies wird nicht immer von denjenigen beachtet, welche die Verantwortung  für die Standsicherheit der Holznageldächer auf sich nehmen.

Für Fotovoltaik-Anlagen gelten die "Hinweise und Beispiele zum Vorgehen beim Nachweis der Standsicherheit beim Bauen im Bestand. Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz (ARGEBAU). Stand 07.04.2008".

 

3.5  Einsturz genagelter Dachtragwerke

Seit einigen Jahre gibt es vermehrt Berichte über den Einsturz von Holzdächern mit und ohne Schneebelastung. Die Bauminister mehrerer Bundesländer nahmen dies zum Anlass, Bauwerkskontrollen anzumahnen. Haupt-Einsturzursache bei Holznageldächern war die unzureichende Seitenaussteifung der Dachbinder.

Weiter vorn wurde beschrieben, dass Holzdach-Monteure nicht selten fehlerhafte Dachbinder-Seitenaussteifungen hinterließen, dem Verfasser sind z.T. haarsträubende Fälle bekannt. Die Aussteifungsmängel können noch nach Jahrzehnten zum Dacheinsturz führen.

 

4.   Zukunft

Der Bestand an seriengefertigten Tragwerken des DDR-Holzbaues verringert sich allmählich, Gründe hierfür sind u.a. Abriss ungenutzter Gebäude sowie mralischer und physischer Verschleiß.

Die Bestandsverringerung verläuft unterschiedlich schnell bei den verschiedenen Konstruktionstypen. Beispielsweise ist dem Verfasser bislang kein Fall bekannt, dass ein zum Eigenheim EW65 gehöriges Kehlbalkendach vom Typ WV134 demontiert wurde. Dagegen wurde das Holz-Stahl-Dach über einer ACZ-Lagerhalle ersetzt durch ein Nur-Holz-Dach, ungenutzte Viehställe wurden abgerissen.

Nach Einschätzung des Verfassers werden regelmäßig kontrollierte und instand gehaltene Serientragwerke des DDR-Holzbaues in 25 Jahren noch vielerorts zu finden sein.

 

 

20200212                    Zurück zu DDR-Holzbau

 

Geier, K.: Seriengefertigte Tragwerke des DDR-Holzbaues. Vortrag anlässlich 20. Holzbauseminar an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, 23.05. - 24.05.2012. Veranstalter Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und Ingenieurbüro Rug GmbH Wittenberge, Veranstaltungsleitung Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rug   Indexierung: Brettbinder BS-Binder BS-Reihe BS-Serie Fachwerkbinder Foto Fotos Fotovoltaik Fotovoltaik-Anlage Fotovoltaikanlage Gebäude Holz Holzbau Holzfachwerkbinder Holznagelbinder Homepage Internet Kehlbalkenbinder Kehlbalkendach Kehlbalkendachbinder Nagel Nägel Nagelbinder Nagelverbindung Photovoltaik Photovoltaik-Anlage Photovoltaikanlage Powerpoint U-Binder U-Reihe U-Serie; pu120523 20191206; Zur Homepage www.holz-bauwesen.de

 

20120624 20120825 20191124